Schild-Bürger-Gedanken
Auf einem Morgenspaziergang in fremder Gegend traf ich einmal einen Schild-Bürger. Den auf dem Foto. Ich staunte ihn eine Weile an. Dann ein Erinnerungsfoto und bald wanderte ich weiter.
Allerdings waren wir nun zu zweit: Der Schild-Bürger wich mir irgendwie nicht mehr von der Seite. Und in mir begann ein eifriges Gespräch, wen oder was ich da in Wirklichkeit getroffen hatte.
Meine gut ausgeruhte Seite freute sich köstlich über den fröhlichen Morgengruß, welchen er mir entgegenbrachte.
Der Steuerzahler in mir entlarvte ihn hingegen als grobe Sachbeschädigung, gegen die etwas Empörung doch wohl angezeigt wäre. Also ehrlich mal!
Und weil mir das kreative Talent oft fehlt, nagte zudem lautstark der Neid an mir, dass ausgerechnet dieser Schild-Bürger Zeuge für solch ein Talent war. Und dass jemand anderes damit offenbar mehr gesegnet war als ich.
Wenn ich das Foto später zeigte, war ich stets wachsam, wie die anderen darauf reagieren. Lobte jemand die kreative Idee, beeilte ich mich ihm beizupflichten. Meinen Neid behielt ich für mich.
Gab es einen Einwand gegen die Sachbeschädigung, verheimlichte ich natürlich meine begeisterte Fröhlichkeit bei dieser morgendlichen Begegnung.
So konnte ich mich stets der einen oder später der anderen Meinung anschließen. Damit gelang es mir, den anderen als recht verständig zu erscheinen. Das macht ja manchmal vieles einfacher. Oder vielleicht doch nicht?
Denn eigentlich ist es noch immer so, wenn ich das Bild ansehe: Alle drei Saiten klingen immer wieder in mir an. Mal ist die eine lauter, dann wieder eine andere. Und wenn ich eine von ihnen verschweige, dann kann ich meine Mitmenschen vielleicht täuschen. In mir selbst aber macht sie sich dann in der Regel umso mehr bemerkbar. Weil auch sie zu mir gehört.
Auf diese Weise ist „mein“ Schild-Bürger im Grunde wieder das geworden, was er von Anfang an war: Ein Gefahrenzeichen,
welches mich daran erinnern will, ehrlich zu sein. Zuerst mit mir selbst.
In der Losung für heute steht das auch.
Du, HERR, du kennst mich, du siehst mich und prüfst, ob mein Herz bei dir ist. (Jeremia 12,3)
Dazu - glaube ich - gehört solche Ehrlichkeit. Die weiß auch: Das wird mir nicht immer gelingen.
Aber Gott kennt mich. So, wie ich wirklich bin. Mit all meinen Seiten.
So hat er mich lieb.
Und dann wird manches in der Tat einfacher. Denn ich muss nicht ständig auf der Hut sein vor der Wahrheit.
Ich brauche Gott nichts vorzumachen.
Und anderen nicht.
Und mir selbst schon gar nicht.
Gott sei Dank!
Ihr Peter Maciej
Foto: P. Maciej