"Christ ist erstanden"
„Christ ist erstanden!“ Das haben wir am Ostermorgen gesungen: Das Lied ist von vielen Balkonen erklungen, aus vielen Gärten, von manchen Türmen, in vielen Häusern und überall dort, wo Gottesdienst gefeiert wurde. In kleiner Runde natürlich. Viele haben das Lied aufgenommen und als Video ins Netz gestellt. Aus den Stimmen der Vielen, den Bläsern, Geigen und Orgeln ist damit ein kräftiger Choral entstanden: „Christ ist erstanden!“
Es ist ein guter Brauch, dieses Lied von Ostern an bis zum Ende der Osterzeit am Ende jeden Gottesdienstes zu singen. Denn es ist so etwas wie die Hymne der Osterzeit. Freilich nur bei uns in Deutschland. Vermutlich vor allem in evangelischen Kreisen. Ich weiß von einer Amerikanerin, dass sie die Melodie befremdlich findet. Und den Text sperrig.
Aber für mich ist das Lied eine Hymne. Ein Trutzruf gegen den Augenschein. Gegen das Offensichtliche. Gegen die Wirklichkeit. Auch unsere Wirklichkeit. Denn die hat sich ja nicht verändert, obwohl es draußen inzwischen aufs Schönste blüht und grünt. Das Virus schwirrt noch immer unsichtbar in der Welt herum und sucht seine Opfer. Nach wie vor gibt es Menschen, die aus diesem Unglück Profit schlagen. Die Enge führt zu Gewalt in Familien. Alte und Einsame fühlen sich einsamer als zuvor.
Und trotzdem singen wir das Osterlied „Christ ist erstanden“. Obwohl und wie es sperrig ist. Deswegen passt es auch so gut zu Ostern. Denn Ostern ist auch sperrig. Ein Fest gegen den Augenschein. Was hier gefeiert wird, geht ja über die Wirklichkeit hinaus.
Eine eingängige Melodie, ein schlichter Text könnte das Geschehen nur schlecht fassen. Deswegen, auch wenn’s sperrig ist: „Christ ist erstanden!“
Andrea Wagner-Pinggéra