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Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige, als man denkt!

Interview mit Beatrice Bruch, Koordinatorin Pflege vor Ort / Begegnung und Beratung „Aufwind“ der  Hoffnungstaler Stiftung Lobetal

© Wolfgang Kern / Beatrice Bruch ist darin Expertin, wie pflegende Angehörige unterstützt werden können.

Was ist das Besondere an Demenz?

Demenz ist eine der häufigsten Krankheiten im Alter. Aber auch jüngere Menschen können daran erkranken. Das Besondere ist, dass bei der Demenz viele verschiedene Symptome zusammentreffen. Das Denk- und Erinnerungsvermögen, die Fähigkeit, sich zu orientieren oder angemessen zu reagieren, gehen verloren, ebenso die Alltagskompetenz. Der Unterstützungsbedarf im Alltag nimmt enorm zu. Es kommt zunehmend zu Veränderungen im emotionalen und sozialen Verhalten, was das Zusammenleben mit den Angehörigen und dem sozialen Umfeld erschwert.  Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung. Durch verschiedene Therapieansätze kann der Krankheitsverlauf aber verzögert werden.

Vor welcher grundsätzlichen Herausforderung stehen Angehörige von demenziell erkrankten Menschen?

Die Pflege eines an Demenz erkrankten Menschen stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Für Angehörige, die selbstverständlich noch stärker emotional betroffen sind, ist es mehr als kräftezehrend. Denn die Demenzerkrankung verändert das Leben des Betroffenen und hat auch zunehmend Auswirkungen auf das soziale Umfeld, vor allem auf die Familie und die engsten Angehörigen. Was an einem Tag noch möglich war, kann am nächsten schon unmöglich sein. Durch den Verlust der kognitiven Fähigkeiten und der Kompetenzen im Alltag wird der Bedarf an Unterstützung durch die Angehörigen mit zunehmendem Krankheitsverlauf immer höher. Auch die einhergehenden Verhaltensveränderungen im emotionalen und sozialen Verhalten belasten das familiäre Zusammenleben mehr und mehr. Vielen pflegenden Angehörigen fällt es sehr schwer, die Wesensveränderungen des Angehörigen zu verstehen und zu akzeptieren. Die psychische und seelische Belastung wird durch die zunehmende körperliche Pflege noch verstärkt. Der Verbleib in der Häuslichkeit ist aber dennoch ein großer Wunsch vieler pflegender Angehöriger.

Pflegebedürftigkeit kann teuer werden. Dennoch gibt es vermutlich mehr Unterstützung, als man denkt.

Bei Pflegebedürftigkeit bietet die Pflegeversicherung viele Leistungen an, die genutzt werden sollten, um  den Verbleib in der Häuslichkeit zu ermöglichen, pflegende Angehörige zu entlasten oder auch Teilhabe zu erfahren. Wenn der Unterstützungsbedarf zu hoch ist und ein Verbleib in der Häuslichkeit nicht mehr ermöglicht werden kann, dann ist auch eine anteilige Finanzierung im Rahmen der vollstationären Versorgung möglich. Zu diesen Leistungen beraten die Pflegekassen und der Pflegestützpunkt. Auch können Leistungen im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“  geltend gemacht werden.

Was raten Sie Angehörigen von zu Pflegenden, um ausreichend Mittel für die Pflege zu erhalten?

Eine gute Beratung im Vorfeld von Pflegebedürftigkeit ist immer zu empfehlen, da schon vor dem Eintritt einer Erkrankung Vorsorgemaßnahmen getroffen werden können. Wenn die Pflegebedürftigkeit eingetreten ist, ist eine neutrale Pflegeberatung in den Pflegestützpunkten anzuraten. Hier gibt es auch Vermittlung zu möglichen Selbsthilfegruppen, weiteren Beratungsangeboten, Schulungsangeboten, Entlastungs- und Betreuungsangeboten sowie pflegerischen und sozialen Dienstleistern. Auch der Austausch der Teilnehmenden von Pflegekursen oder Angehörigengruppen untereinander kann noch einmal neue Gedankenimpulse setzen.

Haben Sie Hinweise zur Unterstützung, die vielleicht nicht so bekannt sind?

Die Pflegedossiers des Landes Brandenburg zeigen, dass viele Leistungen von den Leistungsberechtigten nicht abgerufen werden – so zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes oder auch die Kurzzeit- oder Verhinderungspflege. Gerade diese aber können die familiäre Pflegesituation sehr entspannen. Wenig bekannt sind auch die Möglichkeiten, Pflegekurse zu besuchen oder eine individuelle häusliche Schulung direkt nach Krankenhausaufenthalt (Überleitungspflege) oder auch dann, wenn bereits in der Häuslichkeit gepflegt wird, zu erhalten. Im Landkreis Barnim bietet die Hoffnungstaler Stiftung solche Angebote an.

Die Pflege von Angehörigen kann belastend sein und zur Überforderung führen. Was raten Sie Angehörigen?

Wichtig ist, sich selbst Entlastungsmöglichkeiten zu schaffen – zum Beispiel durch die Einbindung professioneller Dienstleister im Rahmen der Grundpflege, durch Begegnungs- und Betreuungsangebote für den zu Pflegenden, zum Beispiel in einer Tages- oder Begegnungsstätte oder alltagsunterstützende Angebote. In deren Rahmen können Spaziergänge unternommen werden, gemeinsame Spielestunden, Vorlesen, Erzählen … , also begleitete Aktivitäten, die es ermöglichen, dass der pflegende Angehörige etwas Zeit für sich hat, um durchzuatmen, Kraft zu schöpfen und den Alltag zu organisieren. Der gemeinsame Austausch mit Menschen in ähnlichen Situationen kann ebenfalls entlastend sein. Hier können Angehörigengruppen helfen.

10.05.2022 / JK