100 Jahre Wohnstätte Reichenwalde – Jubiläumsjahr eröffnet
„Heute feiern wir den Beginn des Jubiläumsjahres „100 Jahre Wohnstätte Reichenwalde“. In diesem besonderen Jahr werden wir Lebensgeschichten hören und 100 Bäume pflanzen.“ Mit diesen Worten begrüßte Frank Tschentscher am 18. Januar die Gäste zum Reichenwalder Neujahrsempfang und machte neugierig auf die zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen, die das Team für das Jubiläumsjahr geplant hat.
Doch genauso wichtig war es den 50 Personen, die der Einladung zum Neujahrsemfang mit Kaffee &Kuchen gefolgt waren, DANKE zu sagen. Es waren die Beteiligten an dem Projekt Lebensgeschichten: Bewohner, Mitarbeiterinnen und ehemalige Mitarbeitende sowie Menschen, die sich den Wohnstätten Reichenwalde verbunden fühlen.
Kurzfilme erzählen eindrucksvoll Geschichten
Acht Kurzfilme und etliche Tondokumente erzählen Reichenwalder Geschichten. Josefine Werner hat dieses Projekt federführend geleitet. Die Uraufführung wird am 16. Mai stattfinden. Sie berichtet: „Es war eine Reise durch Reichenwalde und seine Geschichte. Viele Menschen haben mir Einblicke in ihre Biografien geschenkt. Sie erzählten von ihrem Leben, von der harten Arbeit auf dem Feld, von Traktoren und Pferden, davon, wie sie trotz aller Schwierigkeiten ihren Alltag meisterten. Aber auch davon, wie sie früher in Gemeinschaftsräumen ohne Privatsphäre lebten – und wie dankbar sie sind, dass sich dies inzwischen verändert hat.“
Derzeit werden die Film- und Tonschnipsel noch zusammengefügt. Am 16. Mai, anlässlich der Ausstellungseröffnung, werden die Kurzfilme gezeigt und die Tonaufnahmen zu hören sein.
Wie alles begann
Heimatkundler Lutz Werner nahm die Gäste mit auf eine Zeitreise in die Entstehungszeit der Wohnstätte. 1925 war eine dynamische Periode, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Politische Wirren, viele Erfindungen, Ausbeutung und Armut vieler Menschen und die Goldenen Zwanziger waren seine Stichworte. Er gab auch einen Einblick und die Entstehungsgeschichte von Reichenwalde und bezog sich dabei auf die Kirchenzeitung „Die Evangelische Mark“, in der ein ausführlicher Bericht zur Gründung enthalten ist.
Die Ursprünge von Reichenwalde reichen zurück bis zum 28. Juni 1925, als der Verein Hoffnungstal die neu gegründete Arbeitskolonie bei Storkow feierlich einweihte. Die wirtschaftliche und moralische Not jener Jahre hatte viele junge und ältere Männer auf die Landstraße getrieben, sodass sie sowohl ihren äußeren als auch inneren Halt verloren hatten. Besonders erschütternd war die soziale Notlage, da sich unter den Obdachlosen viele Opfer der Inflation und des wirtschaftlichen Zusammenbruchs Deutschlands befanden.
Der Zustrom nach Hoffnungstal wurde immer größer, sodass insbesondere im Winter die bestehenden Einrichtungen und Arbeitsangebote nicht mehr ausreichten, um den vielen heimatlosen und gestrandeten Männern Arbeit und Unterkunft zu bieten.
Um dieser wachsenden Herausforderung gerecht zu werden, haben sich die v. Bodelschwinghschen Anstalten entschieden, neue Arbeitsmöglichkeiten und Unterkünfte zu schaffen. Nach längerer Suche wurde 1924 im Dorf Reichenwalde Gebäude sowie umliegende Flächen erworben, das sich dafür bestens eigneten.
Bereits im Februar 1925 sind die ersten Bewohner eingezogen. Die dortigen Wirtschaftsgebäude wurden instandgesetzt und in Betrieb genommen. Innerhalb weniger Monate haben bereits 70 Männer dort vorübergehend Arbeit und Unterkunft gefunden.
Am 28. Juni wurde das neu gegründete Werk offiziell der Öffentlichkeit und der Nachbarschaft vorgestellt. Die Einladung fand großen Anklang. Die Dorfkirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele wollten Pastor Friedrich von Bodelschwingh persönlich kennenlernen. Zwar gab es anfangs verschiedene Bedenken gegenüber der neu gegründeten Einrichtung. Doch als die versammelte Gemeinde die ersten Bewohner hörte und die Kolonisten einen tiefen Einblick in ihre Schicksale erhielt, wuchs das Vertrauen in die neue Einrichtung spürbar.
Glaube, Gemeinschaft und Zuversicht
„Niemand geht über die Erde, den Gott nicht liebt“ – dieser Satz steht an der Stirnwand des Gemeinschaftsraums, in dem der Neujahrsempfang stattfand. Hier treffen sich die Bewohner zu Gottesdiensten und Versammlungen. Auch die Menschen aus Reichenwalde sind in diesem Saal immer herzlich willkommen nutzen den Raum ebenso für Veranstaltungen, Chorproben oder Sportgruppen.
Lutz Markgraf betonte in seiner Andacht: „Genau das ist das Programm, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Es ist die Grundlage unseres Engagements. Wir blicken dankbar zurück auf den Segen Gottes, der diesen Ort begleitet hat, und wir schauen zuversichtlich in die Zukunft, weil wir uns auf die Liebe Gottes verlassen können.“ In diesem Sinne: Alles Gute zum Jubiläum, Reichenwalde – und Gottes Segen für die Zukunft!
Auf dem Festkalender stehen unter anderem:
Veranstaltungsort |