30 Jahre Hilfe in und aus Lobetal für die Ukraine / Dank und Anerkennung von vielen Seiten
„Hier kann man den Glauben in die Hand nehmen!“ Gerhard Witte, Pfarrer im Ruhestand von der Karower Stadtmission, sprach damit anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Ukraine-Hilfe Lobetal aus, was die vielen Gäste an diesem ersten Septembersonntag bewegte.
Mit einem Gottesdienst, dessen Inhalte fast vollständig für die ukrainischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihre Landesprachen übersetzt wurden, und einem anschließenden Zusammensein auf dem Dorfplatz beging am 1. September die vom Verein cura hominum – Sorge für Menschen e.V. getragene Ukraine-Hilfe Lobetal ihr 30-Jähriges Bestehen.
Andrea Wagner-Pinggéra erinnerte bei der Eröffnung des Gottesdienstes an den aus der Bibel, Psalm 3: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Sie betonte damit gerade am Weltfriedenstag den Zusammenhang von christlicher Botschaft und Dank für Gottes Hilfe. Die Lektoren Katrin Jäckel, Hartwin Schulz und Reinhard Kunze verlasen Botschaften aus der Ukraine, in denen das Leid in diesem Land und der trotzdem ungebrochene Gottesglaube deutlich wurde.
Frieden und weitere Kraft
Elisabeth Kunze, Vorständin der Ukraine Hilfe Lobetal, wies in ihrer Predigt auf den Beginn der Aktivitäten im Jahre 1994 hin. Die für die Mitarbeiter einer psychiatrischen Klinik bestimmten Lebensmittel dieses ersten Hilfstransportes wurden von diesen an die Patienten verteilt. Zum Erlebnis unübersehbarer großer Not kam die Achtung vor der barmherzigen Tätigkeit der Menschen vor Ort und deren überwältigende Dankbarkeit. Elisabeth Kunze zitierte aus den zahlreichen, seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Jahr 2014 noch drängender gewordenen Reaktionen. Die Hilfe der Ukraine Hilfe Lobetal wird dort so verstanden: „Wir sind nicht verloren, Gott hat geholfen. Wir können uns auf ihn verlassen, auch in schwierigen Zeiten.“
Der Wunsch nach Frieden, nach Kraft für die weiteren Hilfstätigkeiten und die Bitte um Gottes weiteren Segen für die Ukraine Hilfe Lobetal prägten das abschließende gemeinsame Gebet des Gottesdienstes.
Begegnungen mit Rück- und Ausblick
Zum Beginn der Veranstaltung auf dem Dorfplatz würdigte Andrea Wagner-Pinggéra die Ausrichtung der Ukraine Hilfe Lobetal: „Sie verlassen sich auf Gottes Hilfe und zählen auf viele Menschen guten Willens.“ Der Verein hat ein hohes Ansehen bei Spendern und in der Öffentlichkeit. Es sei beeindruckendes Beispiel für beispiellosen Einsatz von Menschen, die mit Zeit und Herzblut sich engagieren, „das weit über Normales hinausgeht“. Gemeinsam mit Geschäftsführerin Jeannette Pella dankte sie den Vorständen des Vereins und übergab eine Spende der Geschäftsführung von 1.000 Euro für die Vereinsarbeit. Elisabeth Kunze, sichtlich bewegt, betonte, dass die Ukraine-Hilfe ein Gemeinschaftswerk ist: „Wenn nicht so viele Menschen dabei wären, wäre die Arbeit nicht zu schaffen.“
Ein Reigen des Dankes von Politik und Partnern
Clemens Pfütz, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Bernau, überreichte Elisabeth Kunze das Buch „Die Stadt in der Kirche“ und war stolz, dass in Bernau dieses Engagement beheimatet ist. Oliver Borchert, Bürgermeister der Gemeinde Wandlitz, verband seine Jubiläumsglückwünsche damit, dass die Tätigkeit der Ukraine-Hilfe Lobetal auch für seine politische Tätigkeit in Wandlitz ein wichtiges Anliegen sei. So habe man 2022 eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Kleinstadt Makariv auf den Weg gebracht. Der Lobetaler Ortsteilbürgermeister Stephan Böttcher würdigte die Selbstlosigkeit und die Ausdauer der Ukraine-Hilfe.
Von der Oranienburger Kleiderkammer kam neben einer Spende von 500 Euro ein großes Dankeschön für die gute Zusammenarbeit über nun schon 20 Jahre, insbesondere, was den Transport von Hilfsgütern angeht. Der eingangs zitierte Karower Pfarrer Gerhard Witte wies darauf hin, wie man es gemeinsam schaffe, auch große und sperrige Güter wie Möbel und Küchengeräte sicher in die Ukraine zu bringen.
„Güter erreichen entlegenste Winkel“
In zu Herzen gehenden Worten dankten Menschen und Organisationen aus der Ukraine für die Unterstützung. Die Verklärungskirche Charkiw unterstrich in einem Brief die liebevolle und bedarfsgerechte Hilfe, eine wohltätige Organisation aus Odessa betonte, dass so aus Lobetal dringend benötigte Güter „die entlegensten Winkel und die schwächsten Glieder der Gemeinschaft erreichen.“ Ein Pastor Leonid aus der nördlichen Ukraine bekundete, wie ihn die große Hilfsbereitschaft in Lobetal berühre. Gemeinsam mit Freundinnen und Freunden dankte er den Gästen mit ukrainischen Liedern. Ebenso gelöst wie nachdenklich klang das Zusammensein bei vielen Gesprächen, leckerem Imbiss und erfrischenden Getränken aus.
11.09.2024 / Andreas Gerlof
- Interview mit Elisabeth Kunze, Vorständin der Ukraine Hilfe Lobetal
Wie hat alles begonnen?
Zwei Jahre bevor wir 1994 mit der Ukraine-Hilfe starteten, verteilten wir bereits Bibeln und christliche Literatur in den Kasernen der Sowjetarmee in und rund um Bernau. Dadurch kamen wir in Kontakt mit Ukrainern und erfuhren von der Not in diesem Land. Im Februar 1994 schickten wir einen kleinen Transport in die Ukraine. Die berührende Reaktion dort ermutigte uns, weiterzumachen. Dieser Transport ging in eine psychiatrische Klinik in Charkiw. Die Mitarbeiter verteilten die für sie bestimmten Lebensmittel an die Patienten. Die Not war unbeschreiblich. Mit Tränen in den Augen sagten sie, dass sie nicht von Gott und der Welt vergessen seien. Der Dank war überwältigend. Das war der Beginn unserer Arbeit.
Wir berichteten davon dem Gemeindekirchenrat und baten um Unterstützung durch die Lobetaler Kirchengemeinde. Wir erhielten die Alte Wäscherei als Koordinationsort für die Hilfslieferungen. Es folgten zwei bis drei Transporte pro Jahr.
Wie hat sich die Ukraine-Hilfe Lobetal entwickelt?
Ein Wendepunkt war unsere Erwähnung in der Fernsehsendung „Zeit läuft“ am 1. März 2000. Ich durfte live über unsere Arbeit berichten. Danach stieg das Interesse rasant. Wir erhielten viele Spenden. 2003 gründeten wir den Verein, um eigenständig tätig zu werden. Das war eine richtige Entscheidung. Wir konnten Mitarbeiter einstellen, was zur Stabilität und Kontinuität beitrug.
Mit dem 24.Februar 2022 begann eine neue Phase des seit 2014 andauernden Krieges in der Ukraine. Wir sind eine Organisation mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Ukraine und einem großen Netzwerk. Die Nachfrage nach unserer Hilfe stieg stark an, und wir erhielten viel Unterstützung in Form von Geld- und Sachspenden sowie ehrenamtlichem Engagement. In den ersten Monaten fanden wöchentlich zwei bis drei Transporte statt. Das war eine besondere Zeit.Welche Orte und Einrichtungen unterstützen Sie?
Wir beliefern hauptsächlich christliche Gemeinden und Organisationen, die die Hilfsgüter weitergeben. Wir erreichen Orte im Westen der Ukraine, versuchen jetzt aber hauptsächlich, so nah wie möglich an die umkämpften Gebiete wie Odessa, Chernihiv oder Charkiw zu gelangen. Unsere Partner verteilen die Hilfsgüter an kinderreiche Familien, Menschen mit Behinderungen, Flüchtlinge, Witwen und Waisen, an Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser.
Wie entscheiden Sie, wohin die Transporte gehen?
Wir entscheiden danach, wer schon länger nichts erhalten hat oder wer bestimmte Dinge am dringendsten benötigt. Es hängt auch davon ab, was gerade verfügbar ist.
Wie viele Hilfstransporte hat die Ukraine-Hilfe Lobetal in den letzten Jahren durchgeführt?
2022 hatten wir etwa 84 große und 38 kleine Transporte mit insgesamt gut 1.111 Tonnen. 2023 waren es 63 große und 54 kleine Transporte, die insgesamt fast 834 Tonnen umfassten. In diesem Jahr sind es bisher 36 große und 23 kleinere Transporte.
Was beeindruckt Sie besonders?
Wir können auf Gott und auf Menschen guten Willens vertrauen. Wir erleben fast täglich Wunder. Oft wissen wir nicht, wo die nächsten Spenden herkommen, aber dennoch schaffen wir es jede Woche, einen großen LKW zu füllen. Manchmal wussten wir nicht, wie wir die Transporte bezahlen sollten, doch dann kam eine große Spende oder viele kleine Spenden. Ein besonders großes Geschenk war, dass uns eine Firma für mehrere Jahre einen LKW kostenlos zur Verfügung stellte. Das ist alles nicht selbstverständlich. Wir sind sehr dankbar, was wir in den 30 Jahren unseres Bestehens tun durften.
Was beschäftigt Sie derzeit?
Mich bewegt der Schmerz und die Zerstörung in der Ukraine. Das trifft mich sehr. Mich bewegt aber auch das Engagement der Ukrainer, die trotz allem weitermachen und helfen. Ich denke oft darüber nach, wie wir dem Land nach dem Krieg helfen können, sich zu erholen. Auch dann werden unsere Hilfstransporte wichtig bleiben. Aber nicht nur. Es wird viel Zuspruch und Ermutigung brauchen.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Frieden. Einfach Frieden in der Ukraine. Auf der ganzen Erde.