Doppeljubiläum für Epilepsie-Behandlung begangen
Am 27. September feierte die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal in der Tabor-Klinik in Bernau und im Festsaal Alt-Lobetal den 20. Geburtstag der modernen Klinik in der Stadt Bernau und den 50 Jahre zurückliegenden Eröffnungstag der Klinik in Lobetal.
Das Wichtigste vorneweg: In der Epilepsiebehandlung hatte und hat der Name Lobetal national und international einen bedeutsamen Klang!
Tabor steht für Heilung und Linderung
Doch zunächst galt des den Namen zu erklären. Das war Aufgabe von Andrea Wagner-Pinggéra, Theologische Geschäftsführerin, in der einführenden Andacht. Tabor ist der biblischen Überlieferung nach ein Berg in Galiläa, an dessen Fuß Jesus einen fallsüchtigen Jungen heilte, dessen geschilderte Symptome aus heutiger Sicht an Epilepsie denken lassen. „Damals jedoch wusste man wenig über die Ursachen der Krankheit und deren Behandlung. Was man nicht erklären konnte, dafür zog man gerne Geister oder Dämonen als Begründung heran“, so die Pastorin. Deswegen müsse einer her, der heilen kann mit überirdischer Macht. Damit war Jesus gemeint, der den Jungen heilte. Mit Blick auf die Tabor Klinik sagte sie: „Hier wirken keine überirdischen Kräfte. Sondern hier wird sauber diagnostiziert. Hier werden Patientinnen und Patienten gründlich beobachtet und medikamentös eingestellt. Geschaut, wie die Anfälle möglichst minimiert werden können, sodass, sich eine Verbesserung einstellt.“ Das sei eine große Erleichterung für diejenigen, die hierherkommen. Und insofern begegnen die Hilfesuchenden dem Heilsamen, Heiligen, dem Göttlichen. Dem Taborlicht eben.“
Auf die Geschichte der Klinik ging Martin Wulff in seiner Begrüßung ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die traditionelle Betheler Epilepsie-Kompetenz für die meisten Menschen aus dem Osten des in Besatzungszonen aufgeteilten Deutschlands nicht mehr erreichbar. Vor diesem Hintergrund befürworteten die großen diakonischen Einrichtungen auf dem Gebiet der DDR 1950 den Ausbau Lobetals zum Zentrum der Behandlung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Epilepsie. Bethel unterstützte dies großzügig und tat dies im weiteren Verlauf der Entwicklung.
Im April 1950 begann der Betheler Arzt Dr. Friedrich Pietsch mit der Behandlung von Epilepsiekranken in Lobetal. 1959 übernahm dies Dr. Marie-Luise Schikarski. In ihre Zeit fällt der Neubau der Klinik Tabor im Jahre 1973. „Auf dieses Datum bezieht sich das 50jährige Jubiläum“, so Wulff. Nachfolger wird 1988 Dr. Bernd Findeis. Neue Rahmenbedingungen und Chancen ergaben sich durch den Fall der Mauer. Ende der 1990er Jahre wurden erneut Überlegungen für eine neue Klinik angestellt, die noch besser für die Menschen da sein kann. Die Bemühungen konzentrierten sich auf die 1997 vom ehemaligen Kreiskrankenhaus leergezogene Immobilie an der Ladeburger Straße 15 in Bernau. Dort wurde am 13. September 2003 die Tabor-Klinik mit 50 Betten und modernsten Möglichkeiten in Bernau feierlich eingeweiht. Darauf bezieht sich das zweite Jubiläum, das heute begangen wird.“ Die Geschichte sei eine Erfolgsgeschichte und „ein Segen für die Menschen und ihre Angehörigen, für die Familien, für die Beziehungen, die damit verbunden sind.“ Damit verbindet Martin Wulff einen großen Dank an alle in der Geschichte und der Gegenwart, die diese Erfolgsgeschichte möglich gemacht haben.
Grußworte
Der Bernauer Bürgermeister André Stahl berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen, was den Umgang mit Epilepsiekranken in Lobetal angeht. Seine Mutter arbeitete als Leiterin des Hauses Eben-Ezer arbeitete, früher eine Begleiteinrichtung mit rehabilitativem Charakter für Menschen mit schwer zu therapierenden Epilepsien und zusätzlicher körperlicher und/oder geistiger Behinderung, waren ihm Kontakte mit den Patientinnen und Patienten nicht fremd, er habe sogar „während so mancher Feste, bei denen ich den Grill bediente“ sehr interessante Begegnungen und Gespräche gehabt. Das heutige Klinikgebäude in Bernau wiederum sei ihm aus einem dortigen Praktikum zu DDR-Zeiten gut bekannt. „Die Stadt Bernau sei sehr froh darüber, so einen modernen und überregional anerkannten Klinikstandort dort zu haben“, sagte er in seinem Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Michael Zaske, Abteilungsleiter Gesundheit im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, verwies auf den „bemerkenswerten Aufbau“ der Epilepsiebehandlung unter dem Dach der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal vom Beginn der 50er Jahre bis heute. Er hob die hohe Qualität der hier geleisteten Arbeit hervor, die weit über die Grenzen Brandenburgs und Berlins hinaus anerkannt sei. Für die Klinik als eines der nur elf landesweit anerkannten Zentren und einzigem Epilepsiezentrum in Brandenburg deutete er an: „Die anstehende Gesundheitsreform wird Tabor nicht belasten.“ Das wurde gerne gehört.
Fachliche Kompetenz und Netzwerke
Prof. Dr. Hans-Beatus Straub, seit dem Umzug nach Bernau 2003 Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Epilepsie-Klinik Tabor und Medizinischer Direktor des Epilepsiezentrums Berlin-Brandenburg (EZBB), nahm die Gäste in seinem Vortrag mit auf eine Reise durch die Geschichte, garniert mit vielen historischen Fotografien und pointierten Kommentaren.
Er machte deutlich, dass die Fürsorge für an Epilepsie erkrankte Menschen in Lobetal schon früh Herzenssache war. Anhand von Sitzungsprotokollen vom Beginn der 1950er Jahre belegte er den damaligen Entschluss, auch medizinische Kompetenz systematisch aufzubauen. Er stellte dar, in welchen maßgeblichen Etappen sich die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten seither entwickelten.
Von großen Bedeutung sei schließlich 2003 der Umzug der Klinik in ihr jetziges, hochmodern ausgestattetes Gebäude gewesen. Nun könne man Sektoren übergreifend stationär und ambulant Leistungen nach modernsten Standards bieten, bestimmte spezialisierte Angebote würden von Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet aufgesucht.
„Inzwischen ist die Klinik als Epilepsiezentrum von der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie zertifiziert und als Zentrum im Landeskrankenhausplan Brandenburgs verankert“, so Professor Straub. Sie ist eingebunden in die Netzwerke der Universität Potsdam und der Medizinischen Hochschule Brandenburg und entwickelt sich kontinuierlich als Brandenburgische Repräsentanz des Epilepsiezentrums Berlin-Brandenburg.
Daran knüpfte Prof. Dr. Martin Holtkamp, Chefarzt der Abteilung für Epileptologie im Königin Elisabeth Krankenhaus Herzberge (KEH) und Medizinischer Direktor des EZBB, an. Er führte aus, wie sich innerhalb des EZBB mit der Klinik in Bernau und KEH, aber auch darüber hinaus mit den drei Standorten der Charité, wichtige Synergien ergeben.
Beide Häuser seien engagiert bei Forschung, Lehre und Fortbildung, letztere auch für Laien, um das Thema in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Im EZBB werde eine Arbeit geleistet, von der Patientinnen und Patienten in ganz Ostdeutschland und darüber hinaus profitieren können. Die Zusammenarbeit mit dem Epilepsiezentrum Bethel ist intensiv, wird gebündelt und strukturiert in der „epilepsie akademie berlin bethel“.
Was zukünftige Trends angeht, so ist Prof. Dr. Holtkamp der Ansicht, dass zunehmend auf ambulante Versorgung gesetzt werden wird. So seien inzwischen beispielsweise schon Hirnstrom-Ableitungen mit Video-Aufzeichnung über mehrere Tage in häuslicher Umgebung möglich, die die Diagnostik von Anfällen unterstützen könnten.
Angesichts der nun auch in Deutschland akademisch zunehmend besser verankerten Epileptologie – von 2012 bis 2023 stiegen bundesweit die Zahl von Professuren von vier auf zehn - sei auch im wissenschaftlichen Bereich noch viel zu erwarten.
wk/ag/hbs