{Play}

Cottbus: Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Carpe Diem feiert 30jähriges Jubiläum

Der Jugendtreff Carpe Diem in Cottbus hat einen runden Geburtstag. Er wurde vor 30 Jahren gestartet und feiert dies am 22. September mit einer Party am Nachmittag in der Bodelschwinghstraße 25a in Cottbus.

Von außen ist das zentral gelegene Gebäude ein unscheinbarer Flachbau, wie es viele im Cottbuser Stadtteil Sandow gibt. Die Sozialstruktur ist dort schwierig, die Jugendarbeitslosigkeit hoch.

Innen beeindruck sofort, wie gemütlich und vielfältig die Räume sind. Wie ein großes Wohnzimmer mit Postern und einem Gamingplatz wirkt der erste Raum, den man betritt. In der Ecke befindet sich ein Gamingplatz.

Vorbei an der Werkstatt geht es hinter dem Tresen in die Küche. Im hinteren Bereich lädt ein Dart- und ein Billardzimmer ein. Im Tischtennisraum fallen großzügige Graffiti auf. Von da aus geht es in das Außengelände mit Bolz- und Beachvolleyballplatz, Grillecke, Kicker und Rasenfläche.

Florian Kunze arbeitet dort seit Jahren als Sozialarbeiter gemeinsam mit Teamleiter Tom Ziegenbalg. Er kennt den Club schon seit 20 Jahren und war Stammgast. Mit den Eltern der heutigen Besucher hing er am Kicker herum, spielte Tischtennis, verbrachte viel Zeit. Der Treff ist eine Institution. Und man kennt sich. Die erste Generation schaut immer wieder mal vorbei, bringt Sachspenden, schaut, was es so Neues gibt. Hier erleben die Kids Heimat. Oft sei es in den Wohnungen eng und stressig. „Deshalb legen wir großen Wert darauf, dass sich die Gäste wohl fühlen. Deshalb auch die gemütliche Atmosphäre. Und deshalb die intensive Beziehungsarbeit“, erklärt Kunze. Fast hat man den Eindruck, das hier ist wie eine große Familie.

Publikum nun schon ab der dritten Klasse

Corona hat einiges verändert. Täglich kamen vor der Pandemie im Schnitt 35 Jugendliche hier her, jetzt ist es die Hälfte, bis auf Freitag. Viele seien dünnhäutiger, gehen schnell an die Decke. Die Frustrationstoleranz ist gesunken. Florian Kunze stellt auch große Wissenslücken fest, was den Schulstoff betrifft. Und: Die Altersgruppe hat sich gewandelt. Die Besucherinnen und Besucher kommen jetzt schon ab der dritten Klasse.

Engagement wird großgeschrieben. Florian Kunze zeigt den Billardraum.  „Den haben die Jugendlichen selbst hergerichtet“, berichtet er stolz. Auch werde der Rasen von ihnen gemäht und kleinere Reparaturen erledigt. Dafür gibt es die Werkstatt. „Hier lernen die Jungs und Mädels einen Schlitzschraubendreher von einem Kreuzschraubendreher zu unterscheiden.“ Das Motto ist stets: Wir suchen nicht Probleme. Wir finden Lösungen, beispielsweise wenn es darum geht, das Netz an der Tischtennisplatte zu flicken.

Gemeinsames Kochen fördert Toleranz und steht für kulturelle Vielfalt

Regelmäßiges Highlight ist die Koch-AG. Heute steht Bauerneintopf auf dem Programm. Acht Kilo Fleisch hat Florian Kunze organisiert. Schließlich sollen 20 Münder satt werden. „Hier wird alles selbst gemacht, auch der Pizzateig. Und nichts wird weggeworfen. Wenn wir etwas übrighaben, dann überlegen wir gemeinsam, was wir daraus noch machen können“, berichtet Herr Kunze. Sind Kartoffeln übrig, dann gibt es am nächsten Tag leckeres Bauernfrühstück. Auch Gemüse wurde schon angebaut, Salat und Tomaten geerntet und dabei gelernt, wie das mit dem Säen, Gärtnern, Wachsen und Ernten funktioniert. Jetzt ist ein Gewächshaus geplant.

Doch dahinter steckt noch mehr, als das Kochen und den Umgang mit Lebensmitteln zu erlernen: „Das gemeinsame Essen fördert Toleranz und bringt die kulturelle Vielfalt näher.“ Jede und jeder komme zum Zug. 

Miteinander reden und Tischgemeinschaft

So manch unbekanntes Gericht wird zum Lieblingsgericht.  Und wenn dann alle an der langen Tafel sitzen braucht es auch kein Handy. Anfangs musste noch darum gebeten werden, das Handy in der Tasche zu lassen. Inzwischen vermisst es niemand mehr. Im Gegenteil: „Jetzt wird die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so schlecht ist, wenn man sich miteinander unterhält.“ So etwas kennen viele von Zuhause nicht.

Und dann sind da auch Kleinigkeiten, die zeigen, wie durchdacht das Konzept in Carpe Diem ist und dass Beziehungsarbeit weit über die angebotenen Freizeitbeschäftigungen hinausgeht. Im Hintergrund läuft das Radio. Warum? „Damit die Jugendlichen auch mal Nachrichten hören.“ Und ein kleines Büro ist mittendrin. „Damit die Kids jederzeit kommen können, wenn sie was zu besprechen haben.“ 

„Carpe Diem - Nutze den Tag" sagten Jugendliche und gaben damit 1993 das Ziel und den Namen für die Arbeit in diesem Haus vor. Seitdem ist im ehemaligen Gebäude einer Kinderkrippe eine Einrichtung entstanden, die für viele eine zweite Heimat wurde.

Wolfgang Kern