Erinnerung. Hoffnung. Zuversicht: Corona-Denkmal in Berlin enthüllt
In einem Gottesdienst und darauffolgenden Festakt ist am 4. September im Garten des Lazarus-Campus an der Bernauer Straße in Berlin-Mitte das Denkmal „Herz der Hoffnung“ der Künstlerin Gabriele von Lutzau enthüllt worden. Die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel weihte damit den stiftungsweiten Erinnerungsort an Leiden und Zusammenhalt in der Corona-Pandemie ein.
Ein passender Ort für das Denkmal
Martin Wulff, Geschäftsführer der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, würdigte den besonderen Denkmalsort: „Es ist ein Ort, an dem Menschen gehofft und getrauert haben, ein Ort, an dem Menschen Hilfe gefunden und an dem sich Menschen engagiert haben, insbesondere die Diakonissen des Lazarus Krankenhauses haben hier einen unschätzbaren Dienst geleistet. Das Corona-Denkmal wird sich mit diesem Geist verbinden und bleibend eine weitere Geschichte von Not und Krankheit, von Trauer und Trost, von Engagement und Respekt erzählen und daran erinnern, was es braucht, damit unsere Gesellschaft zusammenhält: Gemeinschaft verwirklichen“.
Pastorin Andrea Wagner-Pingérra, Theologische Geschäftsführerin der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, erinnerte daran, dass man Hoffnung und Zuversicht nach einer Zeit brauche, in der viele Menschen allein verstarben - ohne den Trost der ihnen Nahestehenden erfahren zu haben.
Erinnerung an die schützenden Flügel Gottes
Das etwa 150 Kilogramm schwere „Herz der Hoffnung“ aus Bronze, jeweils einen guten halben Meter breit, lang und tief, stellt ein geflügeltes Herz dar. Dr. Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, fand in ihrer Predigt den bildhaften Bezug der Bronze zu den gerade während der Pandemie so wichtigen christlichen Werten. Sie habe bei Betrachtung des Kunstwerkes „zuerst die Flügel entdeckt, da, wo das Herz offen ist“. Und dabei an das „Geborgensein im Schatten der Flügel Gottes“ gedacht. Für sie seien Flügel ein starkes Symbol für die himmlische Macht und ein zartes Bild für die göttliche Fürsorge, die man gerade während der Pandemie gebraucht habe und brauche. Wer angesichts des Leidens und der Toten der Pandemie einen „flügellahmen Gott“ anriefe, dem entgegnete sie: „Versprochen ist: Dabei wird es nicht bleiben. Auf die Kreuzigung wird ein Ostermorgen folgen.“
Symbol für Mitgefühl, Trost und Dank
Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, erinnerte an 170 Menschen, die bisher an und mit Corona in Bethel verstarben und sah in dem Kunstwerk ein Symbol für Mitgefühl, Trost und Dank. Es erinnere ihn daran, wie sehr Corona ans Herz ging, welche herzzerreißenden Entscheidungen gefordert waren: „Mir ist noch sehr gegenwärtig, wie mir eine ältere Dame unter Tränen sagte, dass der ausgebliebene Handschlag nach dem Gottesdienst die einzige Berührung war, die sie sonst in der Woche hatte.“„
Erlebtes braucht Raum zur Erinnerung, Erinnerung braucht Orte“ – mit diesen Worten wies Professor Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, auf die besondere Symbolkraft des Denkmalstandortes im Lazarus-Campus hin. Hier an der Bernauer Straße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mauermuseum, wo man sich an die Opfer der Mauerzeit ebenso erinnere wie an deren Ende im Herbst 1989, könne das „Herz der Hoffnung“ den Erinnerungsauftrag für Leiden und Ermutigung erfüllen.
Gedanken und Erlebnisse geschildert
Mitarbeitende der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel und deren Angehörige machten in der Schilderung eigener Erlebnisse deutlich, warum sie diesen Erinnerungsort benötigten. Veit Dietrich Hopf, Neffe einer in Lazarus friedlich eingeschlafenen Altoberin von Lazarus, berichtete vom quälenden Tod seines Onkels, der sich Anfang 2020 bei nach Deutschland zurückgekehrten Verwandten infiziert hatte.
Carola Weilandt, Teamleiterin der Wohnstätte Ladeburg, legte ihre Erfahrungen aus der Pflege zu Pandemie-Zeiten, wo „Flaschenzug und Fenster Familienbesuche ersetzen mussten“, dar. Andererseits habe diese angestrengte Zeit das Team der Pflegenden auch neu geformt, man sei zusammengewachsen angesichts stärkster beruflicher Belastung, immer füreinander da und empfange in manch schwieriger Situation sogar Hilfe von Menschen „die eigentlich von uns Hilfe erwarten“.
Sascha-André Fischer, der als Sozialpädagoge im Wohnprojekt Rhinstraße in Berlin arbeitet, berichtete über seine Hilfe in einer Rüdersdorfer Einrichtung. Hier hatte kurz vor Weihnachten 2020 ein starker Coronaausbruch den Weiterbetrieb des Hauses extrem in Frage gestellt. „Mit einem mulmigen Gefühl bin ich im Ganzkörperanzug dort Pflegender gewesen. Aber die Nähe zueinander hat sich trotzdem eingestellt – durch die spürbare Dankbarkeit für meine Unterstützung, trotz allen Abstands.
Geschaffen vom Engel von Mogadischu
Gabriele von Lutzau schloss Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte ihres Kunstwerkes an: Ein Stück einer Eiche, die sich in einem Steinbruch an ein Felsstück geklammert habe, sei nach Sprengung des Felsens in ihre Hände gekommen. Sie habe bei dessen Betrachtung sofort an ein Herz der Hoffnung gedacht und so daraus die Form für die gleichnamige Bronzeplastik entwickelt. Die Künstlerin ist vielen Menschen als „Engel von Mogadischu“ bekannt. Als Flugbegleiterin der 1977 entführten „Landshut“ leistete sie den mit ihr entführten Passagieren Hilfe. Seither verarbeitet sie bildhauerisch das Thema Leben und Überleben.
Begleitet von den Worten „Wir übergeben das Werk der Öffentlichkeit, das dafür steht, dass das Leben stärker ist als der Tod“ enthüllten Präses Annette Kurschus gemeinsam mit Pastor Ulrich Pohl die Plastik. Herz zeigen und sich an die Leiden ebenso wie an die Mitmenschlichkeit in der Coronazeit erinnern – das solle, so Pastor Pohl, bald auch an weiteren Orten mit einem Pandemiedenkmal möglich sein. Diese werden in Bethel in Bielefeld, Bad Neuenahr, im Ruhrgebiet und in Hannover aufgestellt.
06.09.2021
Text: Wolfgang Kern
Bilder: Raimund Müller